wenigstens ein bisschen
Wer sich ohne tierische Lebensmittel (vegan) ernährt, tut seiner Gesundheit viel Gutes. Auch, wenn er seine Ernährung nur für kurze Zeit umstellt. Warum das so ist und wie es am besten klappt, erklärt Ernährungsmediziner Dr. med. Rainer Matejka aus dem bayerischen Heilbad Bad Brückenau:
Vegane Ernährung liegt stark im Trend. Umfragen zufolge verzichten in Deutschland inzwischen über eine Million Menschen auf tierische Lebensmittel aller Art. Also nicht nur auf Fleisch und Fisch, wie es Vegetarier tun, sondern außerdem auch auf Milchprodukte, Eier und – in der ganz strengen Auslegung – auf Honig. Die Zahl der Veganer hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Ethische Motive wie die Ablehnung der Massentierhaltung, über die in den letzten Jahren viel berichtet wurde, spielen ebenso eine Rolle wie ökologische Überlegungen zum Einfluss der Tierhaltung auf CO2-Produktion und Klimawandel. Genauso wichtig sind aber auch gesundheitliche Gründe. Denn durch den Verzicht auf tierische Produkte kann man dem Körper viel Gutes tun. Wenn man ein paar Dinge beachtet.
„Viele moderne Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes oder zahlreiche orthopädische Probleme beruhen auf der Kombination aus Bewegungsmangel und Fehlernährung“, erklärt Dr. med. Rainer Matejka, Chefarzt der Malteser-Klinik Dr. von Weckbecker im fränkischen Kurort Bad Brückenau, die auf Heilfasten und Naturheilverfahren spezialisiert ist. „Viel tierisches Eiweiß, isolierte Kohlenhydrate und schlechte Fette einerseits, wenig Ballaststoffe und wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe andererseits, dazu ein gestörtes Säuren-Basen-Gleichgewicht – so sieht die Ernährung bei vielen sogenannten Mischköstlern aus.“ Der Verzicht auf tierische Produkte und damit vor allem auf tierische Eiweiße funktioniere dann fast wie eine Fastenkur, bei der sich der Körper von allerlei überflüssigen Lasten befreie. „Tatsächlich haben Studien ergeben, dass sich durch vegane Ernährung praktisch die ganze Palette moderner Krankheiten bessert, von Erschöpfungssyndromen über Arthrose und Rheuma bis hin zu Herz-Risikofaktoren. Und das bereits nach überraschend kurzer Zeit.“
Wer gesund leben oder werden will, muss also lebenslang auf italienischen Schinken, französischen Rohmilchkäse und die Portion Schlagsahne auf dem Zwetschgendatschi verzichten? Keineswegs. Denn die gute Nachricht ist, dass eine radikale, lebenslange Umstellung auf vegane Ernährung gar nicht nötig ist. Und auch nicht immer zu empfehlen. „Auch wer sich nur kurzfristig vegan ernährt, profitiert gesundheitlich“, erläutert Matejka. Der Ernährungsspezialist empfiehlt, vegane Ernährung beispielsweise „einen Tag in der Woche, eine Woche im Monat und einen Monat im Jahr“ durchzuführen: „Das ist eine richtig gute Sache, da haben Sie nur die Vorteile und keinen einzigen Nachteil.“
Die Nachteile, das wären die mit veganer Ernährung oft assoziierten Mangelerscheinungen. Speziell an B12, einem Vitamin, das nur in tierischen Proteinen enthalten ist und das unter anderem wichtig ist für Blutbildung, Gedächtnis und Gleichgewicht. Doch einerseits kann es etliche Monate dauern, bis die B12-Speicher eines gesunden Menschen, der auf vegane Ernährung umstellt, aufgebraucht sind. Und zweitens lässt sich im Bedarfsfall dieses Vitamin – in Form hochdosierter Präparate – ganz unkompliziert substituieren.
„Wer auf vegane Ernährung umstellen will, sollte beim Arzt erst einmal ein Blutbild machen, um zu sehen, ob seine Werte in Ordnung sind“, empfiehlt Matejka. Und sich dann allmählich an die rein pflanzliche Kost herantasten. Nicht jeder Mensch sei gleichermaßen für vegane Kost geeignet, gibt der Bad Brückenauer Mediziner zu bedenken. Für alte Menschen mit Eiweißmangel, Menschen mit Darmerkrankungen oder auch ganz allgemein für den sogenannten asthenischen Typ, der dünn ist, blass und leicht friert, sei Veganismus eher kontraindiziert. „Diese Menschen sind mit einem Flexi-Vegetarismus besser beraten, der auch mal ein Omelett oder einen Fisch erlaubt. Richtig gut eignet sich vegane Ernährung dagegen für Typen wie August den Starken: große, übergewichtige Menschen vom pyknisch-athletischen Typ, mit Rheuma und Blutzucker-Problemen. Das sind nur leider oft auch die, die am liebsten ein ordentliches Schnitzel auf ihrem Teller sehen!“
Die Malteser-Klinik Dr. von Weckbecker, in der Rainer Matejka arbeitet, ist auf Heilfasten, Ernährung und Diätetik spezialisiert. Ihren Patienten bietet sie vegetarische Küche an, die sich – auf Grund der erhöhten Nachfrage – in letzter Zeit aber immer mehr in Richtung veganer Kost verschoben hat. Patienten, die sich für Veganismus interessieren, können sich in der Klinik Dr. von Weckbecker auch an Ernährungswissenschaftler Peter Faulstich wenden, der zum Beispiel gute Tipps parat hat, wie man tierisches Eiweiß am besten ersetzt. Nämlich nicht nur durch die bekannten pflanzlichen Protein-Lieferanten Soja, Seitan und Hülsenfrüchte, sondern auch mal durch Süßlupinen. „Die haben einen höheren Eiweißgehalt als Fleisch, blähen nicht, sind gut verträglich und schmecken richtig gut“, schwärmt der Ökotrophologe. „Außerdem stammen sie, anders als Soja, oft aus regionalem Anbau.“
Auch Eisen, Vitamin D oder Kalzium – wichtige Inhaltsstoffe tierischer Lebensmittel – finden durch die geeignete Wahl pflanzlicher Lebensmittel den Weg in den veganen Speisezettel. „Eisen steckt auch in Hirse, Mangold, Quinoa und Schwarzwurzeln. Wenn Sie danach noch eine Orange essen, damit das Vitamin C die Eisenaufnahme erleichtert, haben Sie alles richtig gemacht“, verrät Faulstich. Kalzium sei nicht nur in Milchprodukten, sondern in vielen Mineralwässern, in Sesam, Mandeln und Rucola präsent. Und was Vitamin D beträfe, setze man sich am besten mal eine halbe Stunde in die Sonne.
Was rät der Bad Brückenauer Experte angehenden Veganern sonst noch? „Am besten finde ich eine langsame Annäherung an die vegane Ernährung. Einfach mal einen Tag ohne tierische Lebensmittel einlegen. Man fühlt sich gleich besser und leistungsfähiger als mit schlechter Mischkost. Das motiviert! Wer langsam umstellt, gibt seiner Darmflora außerdem die Möglichkeit, sich allmählich mit mehr Hülsenfrüchten und Ballaststoffen anzufreunden und vermeidet damit Blähungen und Reizdarmsymptome.“ Außerdem wichtig: Es mit den Hülsenfrüchten nicht zu übertreiben. „Das ideale Verhältnis zwischen Gemüse einerseits und getrockneten Hülsenfrüchten bzw. Getreide andererseits sollte etwa 6:1 betragen. Dazu noch ein paar hochwertige Fette wie Avocados oder Nussöle, und fertig ist der perfekte Speisezettel.“