Natürlich belebend
Schon im 15. Jahrhundert wussten Kenner, wie wohltuend das Stebener Mineralwasser aus den Tiefen der oberfränkischen Erde wirkt. Doch bis sich hier ein illustrer Kurort entwickeln konnte, gingen vier Jahrhunderte ins Land: Erst von 1832 an entstand rund um das Heilwassereine immer prächtiger werdende Kuranlage, zunächst vom bayerischen König Ludwig I. in Auftrag gegeben, später von Prinzregent Luitpold. Nach wie vor ist der Ort ein kleines Architektur-Highlight – und bekannt für seine seltene Kombination aus gleich drei Therapeutika: Radon, Kohlensäure und Moor.
Das sprudelnde Nass in Steben tut gut – das wusste man schon im Mittelalter. 1690 wurde eine der heute drei heilsamen Quellen das erste Mal wissenschaftlich erwähnt, um das Jahr 1780 entstand rundherum ein kleiner Kurbetrieb. Dieser wurde literarisch durch den Schriftsteller Jean Paul verewigt: In seinem Roman „Die unsichtbare Loge“ von 1793 trägt Bad Steben den Namen Lilienbad und wird als Ideal eines Gesundbrunnens beschrieben. Zur etwa gleichen Zeit, von 1792 bis 1795, lebte hier auch das naturwissenschaftliche Universalgenie Alexander von Humboldt, gründete eine Bergbauschule und brachte den örtlichen Erzabbau auf Vordermann. Den Schwerpunkt auf die Badekur legte aber erst der bayerische König Ludwig I.: Er kaufte 1832 die Quellen samt dem dazugehörigen Grund für damals stolze 600 Gulden und machte das Dörfchen damit zum Staatsbad.
Um die Erwartungen der Kurgäste zu erfüllen, engagierte er seinen Privatarchitekten Leo von Klenze – sein Mann für klassizistische Ideen! Zu den Entwürfen Klenzes gehörte damals etwa schon die Walhalla bei Regensburg, die Befreiungshalle in Kehlheim sowie in München unter anderem der Königsplatz, die Alte Pinakothek und die Residenz. Sogar beim Bau der Eremitage in St. Petersburg war der Hofbaumeister beteiligt. Von 1837 an prägte er fortan also auch den Geist und das Gesicht Bad Stebens.
Sein griechisch anmutendes Badehaus mit der pastellgelben Fassade, auch Klenzebau genannt, wurde zum bezaubernden Aushängeschild des Orts. Hier konnte man, wie in der damaligen Biedermeierzeit üblich, ausgiebig und elegant flanieren. Die Damen schritten unter breiten Hüten in farbenfrohen, ausladenden Gewändern umher, die Herren in Gehrock und Zylinder. Man fragt sich, wie das damals wohl ausgesehen hat – und bekommt darauf jeden letzten Sonntag im Monat Antworten, zumindest bei schönem Wetter: Dann werfen sich die Biedermeierfreunde Bad Steben in entsprechende Schale und promenieren durch den Ort.
Passend dazu auch heute noch: die Musik, in deren Genuss man in Bad Steben zwei bis drei Mal täglich kommen kann. Immer von dienstags bis sonntags spielt das Kurensemble unter anderem Walzer, Operetten-Melodien, Film- und Musical-Songs. Das Repertoire der MusikerInnen ist breit gefächert und kann bei den „Wunschkonzerten“ sogar selbst bestimmt werden. Je nach Witterung finden die Kurkonzerte im Prinzregent-Luitpold-Saal oder auf dem Kurplatz statt.
Bei schönem Wetter schallt die Musik dann bis auf die großen Grünflächen des Kurparks. Er wurde unter der Federführung von Prinzregent Luitpold von Bayern entworfen: Für ihn inszenierten die Gartenarchitekten Arthur und Wolfgang Singer einen natürlichen Landschaftspark in englischer, spätromantischer Form, der seit 2010 sogar unter Denkmalschutz steht. Großzügige Freiräume wechseln sich seitdem mit Blumen- und Pflanzenrabatten ab, zwischen April und Juni blüht ein zauberhaftes Meer aus Rhododendren, im Süden lockt ein herrlich duftender Rosengarten mit barocken Steinfiguren und idyllischen Sitzmöglichkeiten. Auch zwei weitere bedeutende Bauten gehen auf den Prinzregenten zurück: die lichte, von Säulen gesäumte Wandelhalle von 1910 und das ein Jahr später errichtete Staatliche Kurhaus, in dem inzwischen das Grafikmuseum Stiftung Schreiner untergebracht ist.
Als 1851 König Max II. mit seiner Ehefrau Marie zu Gast war, erlebte Bad Steben gerade seinen ersten Aufschwung. Die meisten Gäste kamen etwas später, um die Jahrhundertwende. Darunter war im Sommer 1913 der 15-jährige Bertolt Brecht, der unter Nervosität und Herzbeschwerden litt. Vier Wochen lang ließ er sich in Bad Steben behandeln und berichtet in seinem Tagebuch von den Erfolgen: „Nahm 14 Bäder. Trank Stahlwasser. Befinden sehr gut. Herzbeschwerden jetzt fast verschwunden.“
Was dem jungen Brecht damals gut tat, funktioniert auch im 21. Jahrhundert noch. Sogar außergewöhnlich gut, denn im höchstgelegenen Kurort Bayerns auf fast 600 Metern über dem Meer wirken mit Kohlensäure, Moor und Radon gleich drei natürlich vorkommenden Therapeutika – eine Seltenheit in Mitteleuropa! Das älteste Heilmittel davon ist das „Säuerling“ genannte, kohlensaure Mineralwasser mit viel Magnesium, Kalium und Calcium, das aus der Wiesen- und der Max-Marien-Quelle sprudelt. Als Wannenbad prickeln die feinen Perlen dann beinahe wie Champagner auf der Haut und sind eine Wohltat für Blutdruck, Kreislauf, Stoffwechsel und die Wundheilung.
Ähnlich stabilisierend und entschleunigend wirkt seit Jahrhunderten das Naturmoor in Form von durchwärmenden Bädern oder Packungen. Nicht ganz so traditionell, aber ebenfalls sanft sind die Anwendungen mit Radon. Wird es fachgerecht als Bad oder Trinkkur mit dem Wasser der Tempelquelle angewendet, nimmt der Körper das farb-, geruch- und geschmacklose Edelgas zwar auf, doch der Strahlungseffekt ist mild und verpufft schnell, so dass er keinen Schaden anrichten kann. Ganz im Gegenteil: Es aktiviert die Selbstheilungskräfte, regt das Immunsystem an, lindert chronische Schmerzen und hilft bei Entzündungsprozessen. Auch die körpereigene Endorphin-Produktion wird hochgefahren: Dieses Hormon lindert unter anderem Schmerzen und entspannt das vegetative Nervensysten – wichtig auch zur Prävention, um Stress nachhaltig zu reduzieren und damit etwa einem Burnout vorzubeugen.
Wie genau diese Heilsubstanzen auf den Körper wirken, das wussten die bayerischen Regenten des 19. und 20. Jahrhunderts noch nicht im Detail. Aber ganz offenbar hatten Ludwig I. und Prinzregent Luitpold ein gutes Gespür. Seitdem ist die Zeit in Bad Steben natürlich nicht stehengeblieben: Sie wurde nur konserviert und inzwischen gekonnt in die Moderne transferiert. Die zuständigen Regenten wären jedenfalls bestimmt erfreut, wenn sie wüssten: Ihre royale Mission ist bis heute ein voller, gesunder Erfolg.