Die Musik nimmt Fahrt auf. „Jetzt die Vier", ruft Michel Frenzel-Assih uns zu, beugt sich leicht nach vorne, steht aus dem Sattel auf und tritt kräftig in die Pedale. Also los, ab in die vierte Position. Mithalten!
Neun Hydro-Bikes sind im Sportbecken der Therme Bad Steben aufgereiht, darauf acht Fahrerinnen und ich. Nur unsere Oberkörper schauen aus dem Wasser, der Rest ist auf Tauchstation. Ein bisschen Tour d’France, ein Fight um jeden Zentimeter. Doch die Räder stehen still.
Im 30 Grad warmen Thermenwasser bleibt das Vorwärtskommen aus, während das Tempo steigt, die Musik lauter wird, Michel hochmotoviert uns Kursteilnehmer anfeuert und dabei das Lachen in unseren Gesichtern vermisst. Die Anstrengung ist zu groß. Wir geben alles, nur kein freundliches Lächeln mehr. Fast heimlich verlasse ich die Stehposition und strampele ein wenig im Sitzen weiter. Michel sieht‘s, grinst etwas breiter und ruft in die Runde: “Jeder wie er kann, wenn ihr eine Pause braucht, nehmt sie euch und steigt dann wieder ein.“ Der französische Akzent des durchtrainierten Togolesen sorgt dafür, dass die Kommandos harmlos klingen – dazu sein breites Lachen – das motoviert!
Spinning im Wasser
Meine Radnachbarin strampelt weiter im Stehen und - strahlt. Sie ist hier in Bad Steben zuhause und ist bei Michel in Behandlung. Der ist nicht nur Heilbademeister und Radl-Enthusiast, sondern dazu auch noch Physiotherapeut und Osteopath. Bei der 24-jährigen Nadine kümmert er sich regelmäßig ums Kreuzband. Da passt das Hydrobiken perfekt ins Sportprogramm. Es ist bänder- und gelenkschonend, dabei besonders effektiv, leistungssteigernd (das habe ich gerade besonders nötig) und kurbelt dazu den Fettstoffwechsel an – für die Fitness, gegen die Kilos. Die perfekte Kombination!
Das Wasser trägt und bietet einen zusätzlichen Widerstand. Anfangs fällt es mir schwer, diesen zu überwinden. Doch es wird immer besser und ich lerne: „Auch im Wasser kann ich schwitzen“. Eine coole Erfahrung.
Die Kraft der Quellen
In Bad Steben kann ich mich richtig auspowern, das tut gut und gibt viel Kraft. Selbst Leistungssportler schwören darauf und legen immer wieder gerne ein paar Trainingsrunden im höchstgelegenen Bayerischen Staatsbad ein.
Für die neue Fitness gibt es hier im Frankenwald nicht nur Wassersport, sondern auch gleich noch drei heilende, stärkende Quellen, die zusätzliche Power geben und den Körper pushen. Empfehlenswert auch während des Trainings. Also ein kräftiger Schluck vom Wasser der Wiesen-Quelle, mein Magnesium-Kalium-Calcium-Energizer und noch mal alles geben beim Aquabiken.
Das Pausenwasser hatte ich mir beim morgendlichen Kurparkspaziergang abgefüllt und natürlich auch probiert. Eine Rhabarbersaft-Schorle schmeckt zwar besser, hilft aber weniger. Die Quellen sprudeln ununterbrochen. Also Trinkflasche darunter halten und volllaufen lassen. Andere kommen gleich mit Kanistern oder ganzen Flaschenbatterien, füllen ab, was geht – kostenlose Medizin aus der Natur: Die Wiesen-Quelle für den Nerven- und Muskelstoffwechsel, die Max-Marien-Quelle regt unter anderem die Nierenfunktion an und hilft bei Harnwegserkrankungen und dazu die Tempel-Quelle, die mit ihrem Radongehalt schon etwas ganz Besonderes ist. Ihr Wasser ist gut fürs Immunsystem und dazu auch noch schmerzlindernd – also her damit und auf zur nächsten Trainingsrunde.
Ein Kohlensäurebad gegen den Muskelkater
Auch im Gesundheitszentrum der Therme gibt’s das gesunde Wasser für den kräftigen Schluck zwischendurch.
Die Räder stehen inzwischen wieder am Beckenrand – es geht zum Wohlfühlbad. Noch einen frisch abgefüllten Becher Tempel-Quelle-Wasser, vorbeugend gegen den Muskelkater, und dann: Tiefenentspannung mit Kerzenschein und kribbelndem Champagnerbad. Die blankpolierte Wanne ist mit bestem Wasser aus der Wiesen-Quelle gefüllt. Ein Kohlensäurebad für die Durchblutung. Genau das Richtige nach meiner Bike-Session. Es kribbelt ganz sanft. Entspannung pur. So stelle ich mir ein Bad in teurem Champagner vor. Ich könnt‘ hier ewig liegen.
Doch eine halbe Stunde ist genug. Leises Klopfen an der Tür mahnt mich zum Ausstieg. Schade.
Ein Platz am Stammtisch
Vollgepumpt mit neuer Energie, dank des ausgiebigen Workouts mit heftigem Pedalentreten und meinem Bitzelbad, geht es durch den dichten Kurparkwald hinüber nach Carlsgrün zur Adelskammer. Das älteste Wirtshaus im Frankenwald wartet. Inzwischen knurrt auch schon mein Magen – Brotzeit am Stammtisch, ein anderer Platz ist nicht frei. Lustig ist’s. Witze werden herumgereicht, lässiges Geplänkel, irgendwann kommt man aufs Fischen und den nächsten Urlaub. Entspannt geht es zu und dabei so herzlich, ohne das anstrengende Großstadtgetue. Der Abend wird ein bisschen länger. Runterkommen, die Zeit vergessen und sich erden, geht bestens am Holztisch mit Würstel und Kraut. Verdient habe ich es mir – mein Kaloriendefizit ist heute groß genug.
Noch mehr Sport im fitten Bad Steben: Aqua-Jogging am Morgen. Das klingt nach großem Plantschen. Doch weit gefehlt. Michel scheucht mich durchs Vitalbecken, mal quer mal längs, mal langsam mal schnell. Genial - den Hub-Boden des Beckens kann man absenken – im Wasser schwebender Laufversuche. Die Balance klappt nicht immer perfekt. Hin und wieder kippe ich korkenartig um und gönne mir ein paar entspannte Schwimmzüge. Dann geht es am Beckenrand weiter – ein bisschen „Speedtraining“ – mit Schwung abstoßen und wieder zurückrennen. Zügige Bewegungswechsel sind das, für mich eine Herausforderung, der ich mich nach und nach mit meinem eigenen, langsamen Tempo stelle. Michel feuert mich an, mein Ehrgeiz ist geweckt, Drei, zwei, eins – geschafft. Lockeres Ausschwimmen. Ich lasse mich treiben. Großartig!
Die Leistungssportler, um die sich Michel sonst immer wieder kümmert, nimmt er bestimmt härter dran. Zum Beispiel die togolesische Fußballnationalmannschaft, die hat er jahrelang als Sport-Physiotherapeut betreut und fit gemacht. Beim Sommermärchen 2016 war er live dabei. Schon irgendwie großartig. Und dann Bad Steben? Nicht irgendwie zu klein und abgelegen? „Das ist meine Heimat, ich lebe schon seit 1995 mit meiner Frau in Hof. Die Leute sind hier genauso offen und liebenswert wie in Togo, wirklich.“ Schwer vorzustellen, schließlich kommt Michel aus der Millionenstadt Lomé. Hier in Oberfranken geht es dann doch eher beschaulich zu, aber dafür eben sportlich. Und so verschlägt es auch immer wieder Spitzensportler ins Wasser von Bad Steben und zu Michel.
Er habe heilende Hände erzählt mir Christine Gölkel beim Frühstück. Mit ihrer Villa Siegfried hat sie hier in Bad Steben einen liebevollen wie individuellen Rückzugsort geschaffen. Viele ihrer Gäste sind Wiederholungstäter. Auch ich? Wahrscheinlich schon, nein bestimmt. Ich habe es schließlich Michel versprochen. Bis dahin muss ich aber täglich mein neues 7-Minuten-Sport-Programm absolvieren. Warum sieben Minuten? „Weil jeder sieben Minuten am Tag für seine Gesundheit aufbringen kann. Das schafft man, egal wieviel Stress man hat. Das ist wie Zähneputzen,“ erklärt er mir beim morgendlichen Sportprogramm. Das gesunde Quellwasser steht in Reichweite – mein Energy-Drink.
Die Lernkurve der Muskeln
12 Übungen, jede 30 Sekunden, dann 10 Sekunden Pause, nächste Übung – die Zeit läuft: Hampelmann, Wandsitz, Kniebeuge, auf der Stelle laufen, Treppensteigen – ich schwitze, Trizep-Push-Up – autsch. „Bewegung ist Leben. Wer sich nicht bewegt, der lebt nicht,“ kommentiert Michel mein Leiden. Die Uhr läuft: Sit Up, Push Up, Plank – viel zu lange, Seitplank, Push Up mit Rotation! Geschafft! Und das jeden Tag? Ja! Dabei gehe es um die Superkompensation: „Dein Körper registriert, was er geleistet hat und stellt seine Energie darauf ein. Machst Du mehr als 48 Stunden Pause, fängst Du wieder bei null an,“ Michel weiß, wovon er redet. Als Sportler – Fußball ist seine Leidenschaft – und als Sportphysiotherapeut des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ja, er war auch bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang dabei. Dort hat er sich statt um die Fußballer um die togolesischen Olympioniken gekümmert. Die westafrikanischen Wintersportler kommen hin und wieder auch nach Bad Steben, um die Kraft des Wassers zu tanken und natürlich auch, um sich von Michel so einiges wieder zurechtrückenzulassen.
Ich bin schon gespannt, wen ich das nächste Mal dort beim Radeln und Joggen im Wasser, in der Trinkhalle im Kurpark, oben in Carlsgrün am Stammtisch oder vielleicht sogar in der Spielbank treffen werde. Denn das große Glück gibt es im Frankenwald sowohl im Bad und an den Quellen als auch am Roulette Tisch, wenn die Kugel auf die richtige Zahl fällt.
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