Gleich nach dem Ankommen lasse ich das warme Wasser der Wohlfühl-Therme um mich herumsprudeln und verfolge in aller Ruhe, wie der aufsteigende warme Wasserdampf langsam aus den Becken hinaus ins Tal schwebt. Wahrscheinlich in Richtung Alpen, die sich in der Dunkelheit verstecken, denke ich noch. Doch im Grunde merke ich, wie mir das Denken langsam schon zu anstrengend wird.
Das liegt am Thermal-Mineralwasser, mit dem die 16 Becken der Bad Griesbacher Therme gespeist werden, lese ich mir später an. Sein Fluoridgehalt, übrigens einer der höchsten in ganz Europa, regt nicht nur die Durchblutung und den Stoffwechsel an, sondern entspannt nachgewiesenermaßen völlig.
Doch nur im Wasser treiben reicht mir nicht. Ich will auch Neues ausprobieren an diesem Wochenende: Ich habe mich zur zweiten Yoga-Stunde meines Lebens angemeldet in der Hoffnung, endlich hinter den Zauber davon zu kommen. Beim ersten Mal hat es mich überhaupt nicht gepackt, es war mir zu ruhig, zu viel Om. Wirklich losgelassen hat mich das Thema aber trotzdem nicht – und so gehen Yoga und ich in eine zweite Runde.
Mit dem Sonnengruß zum neuen Yoga-Spirit
Erst gibt es eine kurze Einheit progressive Muskelentspannung – anspannen und bewusst loslassen, nicht jeden einzelnen Muskel, doch ganz schön viele. In mich hineinspüren soll ich, erklärt mir Susanne Lindlbauer, meine Yoga-Lehrerin hier in Bad Griesbach und GESUNDES BAYERN-Expertin. Das fällt mir nicht leicht, doch es klappt für meine Verhältnisse gar nicht so schlecht. Ob das an meinem abendlichen Sprudelbad und das Mich-treiben-lassen gestern in der Therme liegt?
Es geht los – Der Sonnengruß. Er besteht aus zwölf Übungen, das wusste ich nicht. Aufrecht hinstellen, die Hände zum Himmel strecken, dann „umklappen“ und den Boden berühren - das wird bei mir schon knapp - ein Fuß nach hinten, einer zwischen die Hände. „Ich werde nie wieder hochkommen,“ den Gedanken kann ich nicht verdrängen. Neben meiner Yogalehrerin, bei der es ziemlich elegant aussieht, fühle ich mich gleich doppelt ungelenkig - was sich übrigens auch genauso anfühlt. Aber einfach aufhören? Keine Option! Ich will durchhalten und endlich hinter das Geheimnis von Yoga kommen.
Und tatsächlich: Irgendetwas macht dieser Gruß an die Sonne nach ein paar Wiederholungen mit mir. „Er holt mich ab“ – das klingt zwar etwas sehr esoterisch und gar nicht nach mir, trifft´s aber irgendwie. Ich komme runter, werde ruhiger und bilde mir ein, innerlich ein klein wenig mehr zu strahlen.
Haltung bewahren
Es geht an die Cobra. Weites Nach-hinten-beugen. Solche Übungen seien gut zum Wachwerden, sie seien „Herzensöffner“ erklärt mir Susanne Lindlbauer die Unterschiede zwischen den einzelnen Asanas und dass sie nicht perfekt ausgeführt werden müssten. Wichtig sei vielmehr, dass man sie macht. Also weg vom Perfektionismus und hin zum Spaß und zur Lebensfreude. Dennoch, mir ist der Blick in den Spiegel etwas unangenehm. Es sieht so steif aus, was ich mache – vielleicht hätte ich doch lieber laufen gehen sollen. Ich hadere schon wieder ein wenig, aber wirklich nur ein wenig und kann mir anschließend das Lachen nicht verkneifen, als ich beim Utthita Parshvakonasana, dem gestreckten seitlichen Winkel, ordentlich ins Schwanken gerate. Der Baum klappt schon besser und der Krieger, der gefällt mir. Ein Bein im rechten Winkel, das andere gestreckt weit nach hinten setzen, die Arme auf Schulterhöhe ausstrecken und jetzt noch – ganz wichtig – sich wie ein stolzer Krieger fühlen. An der Standhaftigkeit hapert es etwas. Ein Schups vom Gegner und ich würde umfallen – leicht zu besiegen bin ich wacklige Kriegerin, das allerdings mit einem ungeahnten, neuen Wohlgefühl. Das Yoga-Virus packt mich langsam, was auch an der entspannten Stimmung in Susannes hellem Yogaraum liegt.
Für mich sei Intensiv-Yoga das richtige, gibt sie mir anschließend mit auf den Weg. Viele Ansagen, auf die man hören, auf die man sich konzentrieren muss, da bleibt kein Platz mehr fürs Grübeln und Denken. Der Kopf wird frei.
Und ab in den Wald
Genauso wie später im Wald. In den will ich auch noch eintauchen. Doch erst gibt’s nach Sonnengruß und Krieger selbstgebackenen Kuchen und frischen Kaffee im Maierhof, einem Rottaler Vierseithof, auf dem die junge Bauersfamilie auch ein Café und Moststüberl betreibt – zum Glück für alle Besucher! Der angeschlossene Hofladen verführt mich zu kleinen Spontankäufen, bevor es hinein in die Waldwunderwelt geht.
Ein Buntspecht klopft rhythmisch hoch über mir im Laubwerk. Kein anderes Geräusch dringt in den dichten Wald. Einzelne Sonnenstrahlen sorgen für verzaubernde Lichtspiele. Es riecht nach Erde und Moos. Ich tauche ein und gehe einfach immer weiter. Die Welt bleibt draußen.
Rund vier Kilometer ist der ausgeschilderte Weg lang, mit Erklärungen und Hinweisschildern für die Wissensdurstigen und mit Aussichtspunkten für die Vor-sich-hin-träumenden. Ich bin gerade beides – gehe, stehe, lese, lausche und genieße. Die bemoosten Teufelsfelsen lehnen aneinander, ein Eichhörnchen huscht vorbei, sogar ein paar verlassene Ski lehnen am Baum und wirken sehr kurios in diesem dichten Wald. Kurz beschäftigen sie mich: Warum stehen sie da wohl? Warum nimmt sie niemand mit? Aber dann beschließe ich, sie einfach „sein zu lassen“. Meine Yoga-Erfahrung wirkt.
Ich könnte ewig durch den Steinkart, den Staatsforst hier in Griesbach laufen, auf den beschilderten Wegen oder einfach querfeldein, bergauf, bergab.
Doch steckt mir die Yoga-Stunde noch in den Knochen. Also lieber wieder „heim ins Bad“. Die Therme hat noch geöffnet. Einmal unter die Schwalldusche und vielleicht auch in der Salzgrotte ganz tief durchatmen. Nach oder vor der Hot-Stone-Massage? Schwere Entscheidungen stehen an. Sollte ich das Wochenende einfach verlängern und einen Tag länger von Becken zu Becken plantschen? Die Entscheidung lasse ich zu mir kommen. Ich bin im Flow.
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