Die Schrothkur, eine Form des Heilfastens, gibt es schon seit zwei Jahrhunderten. Angewendet wird sie im bayerischen Kurort Oberstaufen. Unsere Ernährungsexpertin, Dr. Andrea Wirrwitz-Bingger, erklärt, wie Ihnen das alte Naturheilverfahren wieder ein vitales Lebensgefühl verleiht.
Die Schrothkur hat der Fuhrmann Johann Schroth um das Jahr 1820 entwickelt. Was verbirgt sich genau hinter dem Begriff?
Dr. Andrea Wirrwitz-Bingger: Anders, als ihr Name vermuten lässt, hat die Kur mit den Lebensmitteln Schrot und Korn nichts zu tun. Johann Schroth hat damals ein Naturheilverfahren entwickelt, mit dem man Rheuma oder Stoffwechselerkrankungen behandeln kann. Zu dieser Zeit wussten die Ärzte wenig über den Stoffwechsel des Körpers – Diabetes war zum Beispiel noch nicht entdeckt. Im Umgang mit seinen Pferden beobachtete Johann Schroth, dass verletzte Gelenke mit kalten Wickeln besser heilen. Zudem aßen und tranken seine Tiere bei Krankheit weniger. Er übertrug diese Erkenntnisse auf den Menschen und entwickelte eine Kur mit kalten Wickeln und abwechselnden Fasten- und Esstagen. Das hat sich bewährt. Die Methode hilft vor allem Menschen mit rheumatischen Beschwerden, Stoffwechselerkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Übergewicht. Sie wirkt ganzheitlich und reinigend.
Ist diese Art der Therapie heute noch 1:1 umsetzbar?
Wirrwitz-Bingger: Nein. Ernährungsexperten und Ärzte passten die Kur immer wieder an aktuelle, medizinische Standards an. Dabei ist sie ein Naturheilverfahren geblieben. Die ursprüngliche Form war sehr streng: Sogenannte „Trockentage“, an denen Kurgäste außer einer morgendlichen Tasse Tee keine weitere Flüssigkeit bekommen haben, sind medizinisch nicht mehr vertretbar. Das machen wir heute anders. Wir passen die Kur ganz individuell an unsere Gäste und ihren Gesundheitszustand an. Aktuelle Ergebnisse aus der Lebensmittelforschung, wie heilende Wirkstoffe aus Kräutern, wandern mit in das Heilverfahren ein. Daraus erstellen wir einen speziellen Speiseplan mit schmackhaften Gerichten, die nichts mehr mit der spartanischen Kost von 1820 gemeinsam haben.
Wie funktioniert die Schrothkur im Detail?
Wirrwitz-Bingger: Die Schrothkur setzt sich aus vier Säulen zusammen. Der wichtigste Teil ist dabei die Diät. Sie greift am stärksten in den Organismus des Menschen ein. Die anderen drei Säulen unterstützen. Insgesamt wirkt die Schrothkur ganzheitlich und reinigend. Die vier Säulen sind Diät, Ruhe und Bewegung, die Schrothschen Schwitz-Packungen und eine Trink-Therapie.
Welche Beschwerden lindert die Schrothkur?
Wirrwitz-Bingger: Die Schrothkur hilft bei vielen Beschwerden. Das sind zum Beispiel rheumatische Erkrankungen, Arthrose, Stoffwechselprobleme, Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Migräne oder Fettstoffwechselstörungen. Aber auch, wenn Ihre Darmflora aufgrund von Krankheit oder Medikamenten durcheinander ist, starten Sie mit der Schrothkur neu. Bei allen Patienten entgiftet die Methode den Körper, schwemmt Schadstoffe aus und sorgt für ein vitales und leichtes Lebensgefühl. Gute Erfolge erzielen wir auch bei Frauen in den Wechseljahren. Durch die Kombination von besonderem Essen, Schwitz-Packungen und Bewegung wird der Hormonhaushalt mild ausgeglichen. Generell wirkt die Kur am besten vorbeugend – vor allem, wenn sie viel Stress haben und Burn-out gefährdet sind. Der ganzheitliche Ansatz sorgt für Ruhe und entspannt Körper und Geist.
Ist die Kur für bestimmte Personen nicht geeignet?
Wirrwitz-Bingger: Für Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion empfehle ich die Kur nicht. Da die Schrothkur sehr stark in den Stoffwechsel eingreift, kann die Schilddrüse in ihrer Funktion ungünstig beeinflusst werden. Für Patienten mit Leberzirrhose und Nierenfunktionsstörungen ist die Kur ebenfalls nicht geeignet. Denn während der Kur trinken Sie an manchen Tagen sehr wenig. Beides ist für diese Patienten schädlich. Sie müssen viel trinken und Alkohol unbedingt vermeiden.
Wie lange mache ich die Schrothkur?
Wirrwitz-Bingger: Die Schrothkur machen Sie am besten zwei bis drei Wochen lang. Der Stoffwechsel braucht sieben Tage, um sich umzustellen. Das heißt, dass sich die ersten Erfolge nach einer Woche einstellen.
Sollten mich während meiner Kur Ärzte begleiten?
Wirrwitz-Bingger: Unbedingt. Unsere Gäste sollten im Vorfeld mit ihrem Hausarzt sprechen. Er gibt ihnen entsprechende Unterlagen, zum Beispiel über Ihre Medikamente, für uns mit. Während der Kur bekommen die Patienten nur ca. 500 Kilokalorien am Tag. Diese reizarme Mangelernährung wird von einem Kurarzt vor Ort begleitet. Dabei stellen wir uns sehr genau auf unsere Gäste ein. Zum Beispiel passen wir den Ernährungsplan bei Diabetikern entsprechend an und achten darauf, dass sie nicht in den Unterzucker kommen. Wir stehen auch im Austausch mit den Hausärzten zu Hause und informieren sie über Zustand, Blutwerte und Erfolge Ihrer Patienten. So kann der Hausarzt daheim direkt am Erfolg der Kur ansetzen und unsere Gäste weiter unterstützen.
Also ist die Schrothkur eine klassische Diät?
Wirrwitz-Bingger: Nein, nicht ganz. Das Schroth-Essen besteht aus geringer Kost, die ohne jegliche tierische Erzeugnisse auskommt. Das Essen ist salzlos und fettfrei und führt dem Körper deshalb wenig Energie zu. Ziel ist es, den Stoffwechsel so zu aktivieren, dass er die eigenen Energiereserven anbricht und Gift ausschwemmt. Das ist gut für den Darm, der durch Fehlernährung, Allergien, Stress oder Medikamente beeinträchtigt ist.
Kann ich mit der Kur als gesunder Mensch auch einfach nur abnehmen?
Wirrwitz-Bingger: Der Gewichtsverlust ist ein netter Nebeneffekt. Aber bitte gehen Sie nicht nur mit dieser Sichtweise in die Schrothkur. Das geht am Konzept des Heilfastens vorbei. Das Naturheilverfahren hilft Ihnen ganzheitlich. Denn zu verzichten, ist auch mental eine große Herausforderung. Sie gehen beim Heilfasten in sich und besinnen sich auf Ihr Innerstes.
„Am Ende einer Fastenkur ist der Geist leichter als der Körper.“
Otto Buchinger
Die Schrothkur als Startschuss in ein neues Lebensgefühl
Wie bereite ich mich optimal auf die Kur vor?
Wirrwitz-Bingger: Starten Sie im Kopf. Bereiten Sie sich geistig darauf vor, dass Sie in den nächsten Tagen verzichten und zur Ruhe kommen – so sind Sie bestens auf die Schrothkur vorbereitet.
Wie läuft die Kur in Oberstaufen für mich ab?
Wirrwitz-Bingger: Der Ablauf des Kurtages ist sehr individuell von Ihren eigenen Vorlieben und Ihrem Diätplan abhängig. Sie werden meist ab 3 Uhr morgens von unseren Packerinnen mit einem Schwitztee aus Lindenblüten und einem Stück Gebäck geweckt. Dann wickeln Sie diese für zwei Stunden in die Schroth-Packung. Dadurch steigt die Körpertemperatur. Der Organismus entwickelt eine Art Heilfieber, das die Selbstheilungskräfte aktiviert. So transportiert er Giftstoffe über die Haut ab.
Danach folgt, je nach Diätplan, ein Ruhe- oder Aktivtag. Während der Ruhetage trinken Sie weniger, entspannen sich bei einem Buch und bewegen sich mäßig, etwa bei einem Spaziergang, beim Yoga oder der Meditation. Zusätzlich bieten wir Ihnen eine große Auswahl an Vorträgen und gemeinschaftlichen Aktivitäten. An den Aktivtagen trinken Sie mehr und bewegen sich auch stärker. Die wunderschöne bayerische Landschaft genießen Sie bei einer geführten Wanderung oder einem Nordic Walking Ausflug. Nach dem Abendessen treffen Sie sich an den Trinktagen in geselliger Runde zu einem Glas Wein.
Muss ich während meines Kur-Aufenthalts auf Genussmittel verzichten?
Wirrwitz-Bingger: Während der Kur sollten Sie auf Alkohol, Süßigkeiten, Kaffee und Rauchen verzichten. Denn diese reizen den Darm zu sehr und bremsen die Stoffwechselumstellung. Wein ist allerdings in kleinen Mengen Bestandteil der Diät. Er dient als positiver Impuls für das strenge Fasten. Zudem wirkt Wein mild antibakteriell und führt dem Körper verlorene Spurenelemente und Mineralien wieder zu.
Was kann ich aus der Kur in den Alltag mitnehmen?
Wirrwitz-Bingger: Wir schulen unsere Gäste sehr gezielt, damit sie wissen, wie sie Zuhause weitermachen. Als Ernährungsmedizinerin sind mir vor allem die Ernährung und der Sport wichtig. Deshalb planen wir den neuen Tagesablauf, die neuen Mahlzeiten und Sporteinheiten. Die Kur nur einmal im Jahr zu machen und ansonsten so weiter zu leben, wie bisher, ist nicht wirkungsvoll. Wir möchten unseren Gästen nicht nur eine veränderte Lebensweise, sondern auch ein neues Lebensgefühl mitgeben.
Wenn ich wieder zu Hause bin und merke: meine Motivation lässt nach und ich habe Heißhunger-Attacken – was mache ich dann?
Wirrwitz-Bingger: Während der Kur versuchen wir in der Beratung oder in der Fasten-Gruppe auf dieses Problem einzugehen. Nach zwei oder drei Wochen stellt sich ein neues Lebensgefühl ein. Ihr Stoffwechsel hat sich umgestellt, verlangt weniger nach Zucker und Fetten. Sie fühlen sich leichter und vitaler. Damit haben Sie schon automatisch weniger Heißhunger-Attacken. Ich gebe zusätzlich jede Woche ein Seminar zum Thema Stoffwechsel und erkläre Ihnen dort, wie dieser funktioniert und warum Sie etwas an Ihrer Lebenseinstellung ändern sollten. Sobald Sie das gelernt haben, fällt die Umstellung zu Hause leichter.
Muss ich nach der Kur zum Beispiel auf meinen geliebten Kaffee verzichten? Welche Lebensmittel darf ich nach der Kur nicht mehr essen?
Wirrwitz-Bingger: Lebensmittel, die bei uns auf der roten Liste stehen sind Fertigprodukte, gesüßte Getränke, Wurstwaren und rotes Fleisch. Diese Lebensmittel enthalten viel Salz, Zucker, Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe. Das stört die empfindliche Darmflora. Rückstände lagern sich ab und Sie fühlen sich schlapp und weniger leistungsfähig. Besser ist es, wenn Sie nach der Ernährungspyramide essen, die wir Ihnen auch während der Kur vorstellen. Greifen Sie stattdessen lieber zu viel Gemüse, Salat und Obst, guten Fetten wie Olivenöl, Leinöl und eiweißhaltigerer Kost. Sie liefern Ihrem Körper alle wichtigen Vitamine und Nährstoffe, die er braucht, um gesund zu bleiben – und Sie fühlen sich gut.
Bewegen Sie sich regelmäßig, reduzieren Sie Stress und nehmen Sie sich bewusst Auszeiten. Bei Stress reagieren Darm und Magen gereizt. Man sagt nicht von ungefähr: „Das schlägt mir auf den Magen“. Bewegung und Ruhe wirken dagegen erholsam und der Körper entspannt sich.
Warum sehen manche Ärzte die Schrothkur trotzdem kritisch?
Wirrwitz-Bingger: Ärzte sehen die Kur oft noch als Ernährungsform, aber das ist die Kur nicht. Die Kur ist eine begrenzte Diät unter ärztlicher Betreuung. Ein Alleinversuch empfehle ich Ihnen deshalb auf keinen Fall, das kann sogar gefährlich werden.
Wie finde ich geeignete Orte, an denen ich die Schrothkur machen kann?
Wirrwitz-Bingger: Die Oberstaufener Schrothkur ist die klassische und einzig originale Kur. Alle Anbieter müssen Mitglied im deutschen Schrothverband sein. Nur Institutionen, die sich strikt an die Regeln des Verbands halten, sind dort gelistet. Anhand der Schrothkur-Plakette erkennen Sie unsere zertifizierten Mitglieder.
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