Mit dem Blumenkohl ist es so eine Sache. „Manche mögen ihn gar nicht, andere lieben ihn heiß und innig“, sagt Ernährungs- und Gesundheitsberaterin Ursula Schöller, „das ist ganz ähnlich wie beim Koriander“. Ich persönlich liebe beides. Kenne aber viele Leute, für die Koriander irgendwie nach Seife schmeckt. Schon sind wir mitten in der schönsten Diskussion: Was isst man gern, und was kann man so gar nicht haben?
Gesund schmeckt gut!
Frische Kräuter mag eigentlich jeder (außer Koriander… und Mädesüß, aber davon später). Wie sie den Körper beim Entgiften unterstützen und wie vielseitig man sie in der ganzheitlichen Küche einsetzen kann, ist Thema des Gesundheits-Angebots „Geheimnisse der Kräuter“ in Bad Tölz. Als wir uns die Rezepte anschauen, die Uschi zusammengestellt hat, sind wir schon beim Du. Auf den ersten Blick klingt alles – nun ja, sehr gesund: grüner Gemüse-Smoothie, Kräutersalat mit Quinoa, Blumenkohl und Kräuterseitlingen, zum Schluss Chia-Kokos-Pudding mit Heidelbeeren.
Uschi sieht meinen Blick und muss lachen: „Mach dir keine Sorgen, ich hasse es, wenn ,gesund’ nicht schmeckt. Ich bin selber Feinschmeckerin.“ Während ich vorsichtig die Gurke für den Smoothie schneide (derart super-scharfe Messer bin ich gar nicht gewohnt…), presst sie ratz-fatz eine Zitrone aus, schnibbelt Apfel und Bio-Orange und und erklärt dabei: „Verwendet Bio-Obst möglichst immer mit Schale! Da sind viele Pektine drin, wasserlösliche Ballaststoffe, die unsere Darmflora füttern.“
Mädesüß statt Zucker
Der Löwenanteil im Detox-Smoothie gebührt aber sowieso der wasserhaltigen Gurke, Staudensellerie, Fenchel (wirkt entblähend) – und natürlich frischen Kräutern. Wer mag, mixt eine halbe Banane unter, das macht satt. Die Kräuter holen wir uns gleich vor der Tür des Bad Tölzer VitalZentrums aus zwei üppig wuchernden Beeten. Als Städterin mit dem Ehrgeiz, wenigstens Basilikum und Petersilie auf dem Balkon überleben zu lassen, bin ich von der Vielfalt des Kräutergartens begeistert. Uschi wählt Schafgarbe, Erbeerblätter und Zitronenmelisse. Aus ihrem eigenen Garten hat sie noch Holunderblüten und Mädesüß mitgebracht.
Mäde-was? Von dem weiß blühenden Kraut mit grüngelben Dolden habe ich noch nie etwas gehört. Neugierig zerreibe ich es zwischen den Fingern und probiere es. Puh! Schmeckt wie ein Kaugummi aus Kindertagen. „Man darf nicht zu viel davon nehmen, aber es macht eine schöne Süße ohne Zucker“, versichert Uschi. Und in der Tat – als der Smoothie dick und grün im Glas schäumt, haben sich alle Aromen aufs Feinste miteinander verbunden. Pur könnte ich Mädesüß aber nicht gut haben.
Perfekt als Food-Prep
„Das ist ja das Schöne daran“, findet Uschi, „mit Wildkräutern hat man immer wieder ungewöhnliche Geschmackserlebnisse“. Deren Mineralstoffe gehen übrigens nicht so schnell kaputt, so dass sich ein selbstgemachter Kräuter-Smoothie hervorragend als Food-Prep eignet, also als Proviant für den nächsten Tag. Verschämt gebe ich zu, dass ich mir für solche Fälle manchmal ein Fertigprodukt aus dem Supermarkt in den Kühlschrank stelle.
„Aber die enthalten doch viel zu viel Zucker!“, sagt Uschi und guckt ein bisschen streng. Auch auf tierische Produkte sollte man beim Detoxen möglichst völlig verzichten, fügt sie hinzu, Milch und Käse eingeschlossen. Wie sie später ein Dessert ohne Zucker, Sahne oder wenigstens etwas Milch zaubern will, ist mir schleierhaft. Aber schaunmermal…
Brennnessel für die Entschlackung
Zurück zu den Kräutern: Viele finden sich am Wegesrand, wie der unscheinbare Spitz- oder Breitwegerich – beim Spaziergang auf den Kalvarienberg von Bad Tölz geben wir gut acht, auch kein noch so bescheidenes Kraut zu übersehen. In den Wiesen steht der Löwenzahn, entzündungshemmend und krampflösend. Schafgarbe und Birkenblätter regen den Stoffwechsel an, und die allgegenwärtige Brennnessel ist ein Entschlackungs-Booster. Alle können das Essen bereichern.
Um noch mehr über die Vielfalt und Wirkunsweise der Kräuter zu erfahren, haben wir uns mit der Kräuterpädagogin Anneliese Stockinger in Bad Heilbrunn verabredet – der dortige Kräutergarten ist ein wunderschön angelegtes, duftendes und blühendes Kräuterparadies. Die rund zwölf Kilometer dorthin kann man per Bus oder Bahn zurücklegen, wir sausen mit dem E-Bike hin. Jeden Mittwochnachmittag findet eine Führung statt, man muss sich nur bei der Gästeinformation anmelden.
Minze, Wermut und Schafgarbe
Anneliese ist eine „Kräuterhexe“ mit Leib und Seele, zu jeder Pflanze gibt es viel zu erzählen. Wir laufen an einem Beet mit mehr als zehn Sorten Minze in allen möglichen Grüntönen vorbei, an den „Kurschatten-Gewächsen“, denen aphrodisierende Wirkung nachgesagt wird, zum Wermut, der uns alle überragt. „Keimtötend und gut für Magen, Leber und Galle“, erklärt Anneliese, während sie schon das nächste Kraut zart berührt: „Die Schafgarbe ist auch beim Entgiften ein Mutitalent. Man kann sie sehr gut für Quarks und Aufstriche verarbeiten. Früher legte man den Kindern drei Blätter davon aufs Auge, das gibt süße Träume.“
Lieber weniger als zu viel
Ganz in der Nähe wächst Mädesüß. „Ein sehr interessantes Kraut“, so Anneliese. „Man sagt, es sei das Aspirin der Wiese. „Ich mag es, ehrlich gesagt, nicht so gern riechen. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass ich Aspirin nicht vertrage.“ Generell, fügt sie hinzu, solle man bei Wildkräutern immer sehr darauf achten, wie der eigene Körper, die eigenen Sinne reagieren und lieber eher weniger als zu viel verwenden.
Meine Sinne reagieren jedenfalls überaus positiv auf den herb-würzig duftenden Strauß aus zart grünen und farbenfroh blühenden Kräutern, den wir unter ihrer Anleitung pfücken durften. Die tiefroten und rosafarbenen Blüten der Goldmelisse stechen besonders hervor, Ringelblumen fügen weitere Farbtupfer in Gelb und Orange hinzu. Eigentlich ist das alles viel zu schön, um es zu essen, denke ich – und werde dann doch die erste Ringelblume meines Lebens verspeisen…
Akupressur mit Aroma-Ölen
Vorher erwartet mich aber Christa Opitz-Böhm im lichtdurchfluteten Massageraum der Villa Höfler, die zum Komplex des im Herbst 2016 eröffneten VitalZentrums am Rande des Gabriel-von-Seidel-Kurparks gehört. Die Massage-Therapeutin arbeitet nach der „Neuro-Auricular-Technique“, bei der Akupressur mit der Anwendung ätherischer Öle in therapeutischer Qualität kombiniert wird. Ihre zarten Klopf- und Zupfbewegungen kreisen um meine Schädelbasis und ein wenig die Wirbelsäule hinab. „Von da kann ich den ganzen Körper erreichen“, erklärt Christa, während sie eine „Stress Away“ genannte Mischung aus Limette, Vanille, Lavendel und Zedernholz in meine dankbare Haut massiert. Es funktioniert: Ich fühle mich entspannt und gleichzeitig neu belebt.
Und stürze mich mit Elan ans Schneidebrett. In der Lehrküche hat Uschi bereits Quinoa gekocht, Tomaten und Blumenkohl bereitgelegt. Letzterer soll fein geraspelt werden – und zwar roh! „Dann nimmt er besonders gut den Geschmack an“, erklärt Uschi und mischt für die Würze Honig, Olivenöl und Apfelessig an. „Außerdem bringt Blumenkohl Volumen im Magen, macht also mit wenigen Kalorien schön satt.“ Zum Schluss ziehen wir die fein gehackten Kräuter unter: Petersilie, Basilikum, ein paar frische Rainkohl-Blätter, etwas Giersch und Brennnessel.
Blüten als Detox-Star
Schnell noch die Pilze mit Frühlingszwiebeln gebrutzelt, und fertig ist der ebenso köstliche wie nahrhafte Quinoa-Kräuter-Salat! Uschi dekoriert ihn mit Ringelblumen und nimmt sich gleich eine. Echt jetzt? Doch doch, die soll man essen! Blutreinigend und entzündungshemmend sind die schönen Blüten echte Detox-Stars. Und ein Augenschmaus im wahren Sinne des Wortes. Mit dem Messer zerteile ich vorsichtig die Blüte, esse sie in zwei Bissen und fühle Dankbarkeit, dass so etwas Schönes auch noch gut für uns ist. Vom Geschmack her finde ich sie unauffällig, aber die Konsistenz im Mund – zarte Blütenblätter, fester Blütenstempel –, fühlt sich schon interessant an.
Dann geht es ans Dessert: Aus Chiasamen, Vanilleessenz und Kokoswasser entsteht im Handumdrehen ein feiner Pudding. Kommt da auch wieder Mädesüß rein? „Könnte man machen“, lacht Uschi. Dann entscheidet sie sich aber doch für etwas Honig und Kokosraspel für die Süße: „Das passt hier besser. Und ein bisschen naschen dürfen wir auch beim Detoxen, sonst macht es doch keinen Spaß!“ Das Schöne daran: Obwohl wir richtig geschlemmt haben, fühle ich mich nicht pappsatt, sondern voller Energie und habe noch Lust auf einen Spaziergang an der Isar. Mal schauen, was ich dabei am Wegesrand entdecke!
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