Nur die Ruhe! Im Moor komme ich an – und darf richtig runterkommen
Diese Ruhe, diese Kulisse! Gerade erst angekommen, bin ich schon hin und weg. Als sich der Vorhang der Nacht über Pfronten senkt, erlebe ich das Berger Moos als Ort mit besonderem Zauber. Tagsüber sind im Moor viele Leute unterwegs, jetzt sind die alle wieder zuhause und wir ganz allein. Gästeführerin Manuela Vogel hat mich hergebracht, im Kerzenlicht ihrer Laterne, und wir haben nett geplaudert über die Bedeutung von Mooren für Natur- und Klimaschutz. Im Sommer blühen hier Knabenkraut, Knollblume und Klappertopf; Bläuling, Kleine Moosjungfer und Arktische Smaragdlibelle tanzen über die Wiesen. Nun ruht die Landschaft. Doch die Natur hat mir auch im Winter noch viel zu erzählen.
Mein Lifehack zum Entspannen: Einfach mal richtig durchatmen
So tief wie möglich einatmen. Lange die Luft anhalten. Dann bis zum allerletzten Molekül alles ausatmen. Ein paar mal wiederholt, ist das mein Lifehack, um in einer stressigen Situation zur Ruhe zu kommen. Kennen gelernt habe ich die Methode im hintersten Winkel der Oberpfalz beim Waldgesundheitstraining, und die Entspannungsübung funktioniert jetzt, hier im Moor bei Pfronten, wieder mal besonders gut. Ich muss nun nicht mehr an den Job denken, an die Termine der vergangenen und an die Projekte der kommenden Woche. Sondern ich hin ganz bei mir, im hier und jetzt. Und nehme mit allen Sinnen wahr, was mich umgibt.
Safari für die Sinne: Ich nehme wahr, wie die Natur mich umgibt
Die Landschaft ist Allgäu pur: Zur blauen Stunde nach Sonnenuntergang hängen Nebelschwaden wie Fetzen über Streuwiesen, Birken und Moorkiefern spiegeln sich in pechschwarzen Tümpeln, dahinter erheben sich die mit frischem Schnee bepuderten Gipfel der Nordalpen. Ich höre das Glucksen des Wassers, rieche den süßlichen Geruch schwarzer Erde, erspähe ein Rudel äsender Rehe. Ob sich vielleicht sogar der Biber blicken lässt? Der erweitert gerade seinen Bau, damit er mit seiner Herzensdame genügend Platz hat für winterliche Kuschelstunden.
Als „perfekt zum Ankommen“, hatte mir die nette Dame an der Rezeption des Hotels den Ausflug ins Moor empfohlen, auf meine Frage nach einer entspannten Spazierrunde. „Und auch perfekt zum Runterkommen“, kam dann als Ergänzung. Anscheinend sind es die Leute hier gewöhnt, dass Gäste am Freitag Nachmittag mit gestresstem Blick anreisen (so wie ich!) und erst mal tief durchschnaufen sollten, um ihr Wochenende genießen zu können (so wie ich!). Auf dem Zimmer stand dann noch eine wichtige Entscheidung an: Noch mal schnell die Mails checken? Oder gleich in die Wanderschuhe schlüpfen? Es war hart, doch ich habe der Versuchung widerstanden. Das Smartphone wird jetzt bis Montag früh im Flugmodus schlummern – auf dass auch ich zur Ruhe komme.
Kein Wellness-Strohfeuer, sondern Auftanken mit Tiefenwirkung: Ich bin gespannt, was Pfronten zu bieten hat
Denn darum geht es bei meiner Auszeit im kleinen Luftkurort Pfronten. Auf das Strohfeuer eines Wellness-Wochenendes kann ich verzichten, ich möchte mich lieber mit Tiefenwirkung erholen und gleichzeitig Neues entdecken. Die intakte Natur der Allgäuer Alpen genießen, im gesunden Klima tief durchatmen, mal wieder eine Portion echte Kässpatzn essen – schön und gut. Aber es braucht auch noch ein paar Herausforderungen für Körper und Kopf. So melde ich mich an für einen Kunstworkshop und plane eine Schneeschuhtour in der Umgebung der urigen Hochalphütte. Dort führt angeblich ein weit gereister Sherpa aus Nepal die Regie – vielleicht gibt es zur Jause also sogar leckere Momo-Teigtaschen.
Warum ich gerne ins Allgäu fahre? Genau, zum Wandern. Pfronten liegt auf 850 Höhenmetern zwischen dem Voralpenland und den hochalpinen Gipfeln von Breitenberg (1838 Meter) und Aggenstein (1986 Meter), besser geht’s also nicht. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich einige Etappen der Wandertrilogie Allgäu laufen. Es gibt Routen auf drei Höhenlagen: Durch die Hügel als „Wiesengänger“, als „Wasserläufer“ entlang von Flüssen und Seen, und bis hoch auf die Gipfel als „Himmelsstürmer“. Weil die Waden auch Pausen brauchen, kann man in der Pfrontener Touristinfo allerlei Kurse buchen. Es gibt Yoga mit Alpakas und hoch oben am Berg, Fotografie-Ausflüge in die Bergwiese und Kräuterworkshops. Ein Glasbläser leitet an, eigenen Schmuck zu fertigen, aus kunterbunten, am Brenner geformten Glasperlen – das ist toll für Familien und geht auch jetzt im Winter
Talent habe ich nicht. Trotzdem traue ich mich zum Kunstworkshop
Meine Wahl aber ist ein Kunstworkshop. Wird es klappen, dass ich – wie in der Ankündigung vollmundig versprochen – meinen persönlichen Farbtraum auf die Leinwand bringen kann? Das wird definitiv eine Herausforderung, denn eines ist klar: Kunst kommt von Können – und zeichnen, das kann ich nun wirklich nicht! Anderseits ist der beste Moment, um etwas Neues zu wagen, nie in der Zukunft, sondern immer jetzt und hier. Weshalb ich zwar durchaus nervös bin, mich aber auch freue auf das Treffen mit der Organisatorin Anette Nöß.
Es ist kalt, doch die Sonne strahlt: Wir verlegen den Kurs deswegen spontan von ihrem Atelier in den Kurpark. Die Künstlerin lacht: „Ich bin echt gespannt, denn Männer verirren sich selten zu mir. Die Angst ist wohl ziemlich groß.“ Ich muss also nicht nur für mich was abliefern, sondern auch noch die Ehre des schwachen Geschlechts retten? Als könne sie Gedanken lesen, gibt es beruhigende Worte. „Was Du malst, muss niemandem gefallen, nicht mal Dir selbst. Mach’s wie früher beim Spielen im Sandkasten: Da war es ja auch egal, was man gemacht hat.“
Wieder Kind sein dürfen: Das Malen zaubert mir ein Grinsen ins Gesicht
Ich lustwandele durch den Kurpark und suche mir einen Baum aus – am besten gefällt mir ein Bergahorn wegen der sich abschälenden Rinde. Dessen Stamm ist meine Staffelei, ein Stück Stoff wird leicht angetackert. Dann beginne ich damit, Farben anzumischen – Veroneser Grüne Erde, Italienischer Goldocker, Rügener Kreide. Ich mag aber auch die bunten Pastellkreiden. Los geht’s! Aber wie?
„Einfach machen“, sagt Anette Nöß, dann lässt sie mich erst mal alleine. Ich streiche vorsichtig mit dem Pinsel über die Leinwand – und stelle fest, dass gerade Linien nicht möglich sind, weil die Rinde unter dem Stoff durchdrückt. Mit der Zeit werde ich mutiger, schmiere andere Farbtöne mit Schwämmen, reibe Muster mit den Fingern, werfe sogar ein kleines Farbbömbchen. Es fühlt sich gut an, mit den Händen zu arbeiten – und entspannt enorm, dabei in der Natur zu sein! So gut, wie ich mich fühle, zaubert mir das Malen ein breites Grinsen ins Gesicht. „Intuitive Ausdrucksmalerei“ nennt sich das Konzept, lerne ich später. Dass man kindliche Leichtigkeit auch noch als Erwachsener erleben kann, hätte ich nicht gedacht. Die Kleckserei ist zwar nicht wirklich was für die Galerie, aber darauf kommt es ja nicht an. Danke für die Erfahrung!
Ein Schritt ins Ungewisse: Mit Schneeschuhen auf der Hochalpe
Mein nächster Schritt ins Ungewisse ist sportlicher Natur: Eine Schneeschuhtour. Alexander Grotz von Alpintours Montaneo dreht mit mir eine Einführungsrunde. Bei guten Schneeverhältnissen kann man schon im Tal losmarschieren, doch wir fahren mit der Breitenbergbahn ins Wandergebiet Hochalpe – erst mit der Gondel, dann mit dem Sessellift. Dann schnalle ich mir die klobigen Treter unter meine Stiefel. Kann ich einfach losmarschieren? Eigentlich ja: „Im Gelände ohne große Steigung ist die Technik fast die gleiche wie beim normalen Gehen“, meint Alexander Grotz. Am Anfang fühlt es sich seltsam an und ich mache den Fehler, die Füße zu sehr anzuheben. Aber bald bin ich im Rhythmus – und im Flow.
Was ich genieße: Die Luft ist klarer, die Ruhe deutlicher, die Sonne gleißender und der Himmel viel, viel weiter als unten im Tal. Künstlich beschneit wird hier oben nicht. Was also auf dem Boden glitzert, ist tatsächlich ein Geschenk von Mutter Natur. Für Skifahrer und Boarder liegt noch zu wenig, doch für eine Schneeschuhtour reicht es locker. Ich freue mich darauf, die nächsten ein, zwei Stunden mal wieder ins Schwitzen zu kommen und mich auszupowern. Dabei muss ich nicht den breiten Wirtschaftswegen folgen, sondern kann in direkter Linie den Hang hinauf und wieder herunter. Das Panorama ist grandios: Im Westen erheben sich die Allgäuer Hochalpen, im Osten das Ammergebirge. Vor mir ragt der Aggenstein auf. Er kratzt zwar nur knapp an der Zweitausender-Marke, wirkt durch seine monumentale Felswand aber richtig dramatisch.
Übernachten auf der Berghütte: Die Sorgen des Alltags sind vergessen
„Um die Berge herumgehen ist genauso wichtig, wie auf deren Gipfel zu steigen“, soll der Alpinist Heinrich Harrer gesagt haben. In der Hochalphütte treffe ich auf einen Nepalesen, der das ähnlich sieht, obwohl er sogar schon auf dem Gipfel des Mount Everest gestanden ist. Ang Kami Lama ist der sympathische Wirt der rustikalen Hütte, die mit Gebetsfahnen aus dem Himalaya verziert ist. Von Mitte Dezember bis nach Ostern ist der ehemalige Sherpa im Winter hier auf 1510 Höhenmetern zu Hause, und wie in der alten Heimat gibt es hier nun auch in Bayern das Linsen-Reis-Gericht Dal Bhat sowie die von mir so erhofften Momos, hausgemachte Teigtaschen mit leckerem Dipp.
Unten im Tal kann man komfortabler übernachten. Doch die letzte Nacht möchte ich mir hier oben gönnen, in einem der einfachen Zimmer. Der Vorsatz: Lange aufbleiben, um mal wieder die Sterne zählen zu können. Daraus wird nichts, ich bin hundemüde. Doch als ich dann im Bett liege und mich zudecke, erschöpft und glücklich, sind auch die Türen im Kopf geschlossen für die Sorgen des Alltags.
„Um die Berge herumgehen ist genauso wichtig, wie auf deren Gipfel zu steigen“, soll der Alpinist Heinrich Harrer gesagt haben. In der Hochalphütte treffe ich auf einen Nepalesen, der das ähnlich sieht, obwohl er sogar schon auf dem Gipfel des Mount Everest gestanden ist. Ang Kami Lama ist der sympathische Wirt der rustikalen Hütte, die mit Gebetsfahnen aus dem Himalaya verziert ist. Von Mitte Dezember bis nach Ostern ist der ehemalige Sherpa im Winter hier auf 1510 Höhenmetern zu Hause, und wie in der alten Heimat gibt es hier nun auch in Bayern das Linsen-Reis-Gericht Dal Bhat sowie die von mir so erhofften Momos, hausgemachte Teigtaschen mit leckerem Dipp.
Unten im Tal kann man komfortabler übernachten. Doch die letzte Nacht möchte ich mir hier oben gönnen, in einem der einfachen Zimmer. Der Vorsatz: Lange aufbleiben, um mal wieder die Sterne zählen zu können. Daraus wird nichts, ich bin hundemüde. Doch als ich dann im Bett liege und mich zudecke, erschöpft und glücklich, sind auch die Türen im Kopf geschlossen für die Sorgen des Alltags.
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