Mein bester Freund, der Bademantel
Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden, nicht den flauschigen Bademantel, sondern den dazugehörigen Gang. Er verbindet „mein“Vital-Hotel direkt mit der Therme und so ist schon kurz nach meiner Ankunft mein leicht quietschendes Flip-Flop zu hören, während ich im weißen Flausch direkt durch den Bademantelgang das erste Thermal-Sole-Becken der Franken-Therme ansteuere. Sechs sind es insgesamt, plus ein ganzer Salzsee, alle bis zum Rand mit feinster Sole in unterschiedlicher Konzentration gefüllt. Die wird aus einigen hundert Metern Tiefe direkt in die Becken hinaufgepumpt und sorgt dafür, dass es sich hier besonders gut schweben lässt – Salzwasser trägt bekanntlich – auch mich. „Toter Mann“ oder vielmehr „Tote Frau“ habe ich als Kind im Mittelmeer gespielt. Bei 3,7 Prozent Salzgehalt konnte ich mich damals zwar oben halten, aber richtiges schwereloses Schweben war das noch nicht.
Einfach treiben lassen - und Solebrot essen
Die zwölfprozentige Sole, mit der das Wasser hier teilweise angereichert ist, verspricht da schon wesentlich mehr Auftrieb. Tür auf und hinein in die Wärme. Die Luft riecht nach Salz, 35 Grad, das wird ein wohliges Bad.
Eintauchen, hineinsinken - vorwärtskommen erweist sich schnell als schwierig. Schwimmen ist kaum möglich. Das Salz bremst die Bewegungen. Klar probiere ich es – Bewegung ist schließlich alles. Hier ist sie allerdings fehl am Platz. Ich überlasse dem Wasser das Kommando und lasse mich treiben. „Einfach abhängen“ ist mein Thermentipp und wer will sich schon dagegen wehren, so geht Entspannung, so geht Loslassen. Der Handlauf mitten im Becken bietet Halt. Wie damals im Meer drehe ich mich auf den Rücken und lasse mich treiben.
Richtig talentiert bin ich nicht. Mit einem Pärchen gehe ich auf Kollisionskurs, was die beiden mit bissiger Bemerkung in die Flucht treibt. Ich kann nichts dafür, die leichten Wasserbewegungen aus den Massagedüsen schubsen mich etwas unkoordiniert herum. Ich muss mich erst eingrooven. Das Schweben ist ungewohnt, der Kontrollverlust erst recht. Zwei spätpubertäre Pickel bitzeln, das Salz heilt. Ein Bad im Solebecken tut Körper und Geist gleichermaßen gut. Das Salz beruhigt, es nimmt den Stress und wirkt sich positiv auf das vegetative Nervensystem aus. Während ich mich im warmen Wasser hinwegträume, floate ich gleichzeitig dem Alltag davon. Entspannung pur.
Für die Atemwege, Knochen und Muskeln ist die Thermalsole ebenfalls das Richtige und auch für den Geschmack. In Bad Windsheim gibt es sogar Solebrot. Friedrich Wimmer backt es in seiner Backstube nach altem Rezept. In den 1980er-Jahen ist sein Vater mit dem Versuch, mit einheimischer Sole gebackenes Brot zu verkaufen, noch grandios gescheitert. Inzwischen ist das Brot der Renner, nicht nur in Bad Windsheim. Aus ganz Deutschland trudeln Bestellungen ein. Sind die Brote fertig, hängt eine Nachricht für den Postboten im Fenster “bitte abholen“ und schon geht das Brot von Bad Windsheim aus auf Reisen, fürs Abendbrot in Flensburg, Köln oder Mannheim.
Salziges Floaten als Booster fürs Entspannen, Runterkommen, Innehalten.
Weiter schweben, statt auspowern und Bahnen reißen, schneller, weiter, höher, funktioniert beim Schweben nicht, sonst kippt man um.
Als i-Düpferl fürs Loslassen gibt’s Licht und Musik. Dann, wenn in der Therme das Licht ausgeht, ist Zeit für eine "Sinn-fonie" , eine Kombination aus Lasershow und leicht sphärisch angehauchten Klängen, die mich durch die Badehalle mitnehmen - weg vom Alltag, rein ins Gedankenlose. Formen und Farben ziehen die Wände entlang, Nebelschwaden wabern übers salzige Wasser. Die Musik ist ungewohnt beruhigend. Sie wurde eigens für die Lasershows komponiert, der örtliche Knabenchor hat Partien zum Thema Salz eingesungen. Ich treibe weiter, das Austarieren klappt schon besser, die Fußspitzen schauen aus dem Wasser.
Wer braucht da noch das Tote Meer?
Und doch, es geht noch besser, noch schwereloser. Mehr Salz bedeutet auch mehr Tragkraft und die gibt es im See. Mit 26,9 Prozent Salzgehalt kann der Salzsee der Franken-Therme durchaus mit dem Toten Meer in Konkurrenz treten. Man bedenke nur den Ökologischen Fußabdruck! In Bad Windsheim ist man schnell, im Toten Meer eher nicht. Und Schweben lässt es sich im Frankenland genauso gut. Je näher man dem mit reinster Sole gefüllten See kommt, umso salziger wird die Umgebung. Und dann, dann heißt es noch einmal Haltung bewahren – in Rückenlage, die Bauchlage funktioniert jetzt überhaupt nicht mehr. Hinweisschilder mahnen diesbezüglich zur Vorsicht. Mein Versuch, mich mit einem Schwimmzug wenigstens ein kleines Stückchen vorwärtszubewegen, endet in leicht hysterischer Albernheit. Wie ein Korken ploppe ich auf den Rücken. Hier hat das Wasser das Sagen.
Einfach treiben lassen und zwischendurch ein wenig quatschen, das sollte passen. Doch Achtung: Das kann dann plötzlich auch zu salzig werden. Beim Floaten quasseln, kann schwierig werden. Ein bisschen Smalltalk mit meiner schwebenden Nachbarin und schon genehmige ich mir unfreiwillig einen großen Schluck Salzwasser. Schweigen ist beim Floaten Gold oder aber einfach lieber die Füße fest auf den „Meeresgrund“ stellen und statt an der Straßenecke im Salzsee „cornern“, denn das Thermalwasser im „Fränkischen Toten Meer“ ist wirklich salzig! Dafür tut es aber den Muskeln und den Knochen gut, wobei es auch einigen Widerstand bietet. Gegen den Auftrieb anzuarbeiten ist schwierig und braucht Kraft. Also eine Hand an den Handlauf und beide Beine auf den Boden. Das salzige Wasser übernimmt das Kommando und das ist nicht nur gut so, nein, für mich ist es fantastisch. Einfach aufs äußere Gleichgewicht achten, das innere kommt ganz von alleine.
Eine zusätzliche Portion Entspannungsprogramm kann aber trotzdem nicht schaden, zur Sicherheit, sozusagen.
Und irgendwann sind die Gedanken weg
Ich wähle die Töne. Klangmeditation – absolutes Neuland für mich. Doch wenn’s hilft… und, ganz ehrlich, das tut es! Loslassen ist mein Mantra hier in Bad Windsheim. Schließlich habe ich mir eine Pause verordnet, einschließlich neuer Erfahrungen.
Die Relax-Liegen im Kaminzimmer sind gut belegt. Aus der hintersten Ecke ist leichtes Schnarchen zu hören. Da ist jemand schon vor der Klangmeditation ganz tiefenentspannt.
Im Kaminzimmer stehen dünnwandigen Schalen bereit, der Klangmeister hat seinen Auftritt. Seit Eröffnung der Therme 2006 bietet Klaus Schlötterer-Fratoianni Klangerlebnisse an, auch im Wasser. Doch erst mal schauen, was kommt. Hinlegen, Augen zu und schon geht’s los. Er schlegelt die erste Schale an – ein tiefer Klang erfüllt den Raum, gut zum Hinhören und Dabeibleiben. Weghören funktioniert nicht. Gedanken dürften kommen, doch sie würden vom Klang aufgenommen und weiterziehen, erklärte der Klangtherapeut noch kurz vorm allgemeinen Augenschließen. Ob das funktioniert? Immer wieder ein Gong, ein Hall, mal hell mal dunkler und dann auf einmal ganz nah. Ich kann es mir nicht verkneifen, einmal kurz nachzusehen, was da passiert. Klaus Schlötterer-Fratoianni hat die Distanz aufgegeben und geht von Liege zu Liege, schlegelt für jeden ganz persönlich. Der Klang geht durch den ganzen Körper und nimmt die Gedanken mit auf Reisen. Die Schallwellen sind in mir und scheinen nicht mehr von außen zu kommen. Jetzt an etwas anderes zu denken, geht nicht. Ich bin nur noch Hören und Fühlen, für mehr ist kein Platz. „Meditation ist die Praxis, die Gedanken zu beruhigen“, erklärt er mir später. Eine passive Entspannungsmethode, das passt zu mir. Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training sind nichts für mich, ich hab‘s probiert. Das hier schon. Ich bin gedankenlos. Kein Zucken, kein unkontrollierten Fingerübungen, kein Zwinkern – nichts. Das Klingen der Schalen beruhigt und sie klingen lange nach. Dann plötzlich ein helles Bimmeln – Windspiel nennt der studierte Ingenieur sein Aufweckinstrument - das Klicken und Schellen holt uns zurück ins Jetzt, nur den Schnarcher in der Ecke nicht.
Klangvolle Hitze für den Geist
Danach ein kurzer Saunagang und anschließendes Frösteln in der Schneesauna, ein warmer Tee und neuer Klang. Ich gönne mir das volle Programm. Das Add on oder Guddie der Franken-Therme lasse ich auf meinem Weg zur mentalen Aufbaukur bestimmt nicht aus.
Diesmal gibt es einen Klang-Aufguss, so nennt Klaus Schlötterer-Fratoianni seine Klangmeditation im Brechelbad, einer Sauna mit nur rund 50 Grad. Da kann der Klangmeister seine Schalen klingen lassen. Mein Nachbar tropf heftiger als jeder Stalaktit und das auch noch mit gefilztem Saunahut. Der schützt zwar Haar und Haupt, doch doppelt warm hält er auch.
Nicht oben sollen wir sitzen, sondern unten, empfiehlt eine örtliche Klangaufgusswiederholungstäterin – dann könne Klaus Schlötterer-Fratoianni leichter ganz nah an jeden Einzelnen herankommen. Und schon geht es los. Schwitzen, lauschen und die Gedanken fliehen lassen – Kollektives Nicht-Denken und das in wohliger Wärme. Ich kann’s empfehlen. Und so schlegelt sich der Therapeut durch Ruheräume, Sauna und die ganz Therme. Selbst die Thermalbecken lässt er nicht aus. Dort bietet er Klang im Schwebezustand und unter Wasser an. Ich werde es ausprobieren – das nächste Mal.
Doch bis es so weit ist, möchte ich noch mehr Klang auf meinem Körper – Eine Klangmassage gönne ich mir bei Armin Nögel. Da wird nicht durchgeknetet, gestreckt und gezupft, da wird getönt. Klangschalen werden auf dem Körper zum Klingen gebracht. Das wirkt besonders gut und nachhaltig, da dieser zu 75 Prozent aus Wasser besteht und genau das wird durch eben diesen Klang in Schwingung gebracht, mal ganz sanft, dann wiederum wesentlich stärker, je nach der von der Größe abhängigen Tonlage der jeweiligen Klangschale.
Der innere Klang fördert das Wohlbefinden und die Selbstheilungskräfte
Erst eine, dann später die zweite Klangschale platziert Armin Nögel auf meinem Rücken, schlegelt sie an. Ich höre ihren Klang, doch der scheint nicht von außen zu mir zu dringen, sondern von innen. Ich höre quasi rückwärts durch meine Ohren. Ich lasse los – ich kann gar nicht anders - und fühle das Hören. Unglaublich! Später erklärt er mir, was da genau passiert ist – das Wasser meines Körpers sei in Schwingung geraten und hätte mich mit dem Klang weggetragen, vom Hier, vom Jetzt, von allem. Der Körper sei in Resonanz gegangen und habe die Schwingungen in die Zellen hinein- und weitergegeben.
Fantastisch, was die Natur so anstellt, wenn jemand mit Klangschalen und Gong sie zu unterstützen versteht und salziges Wasser immer wieder die Gedanken auf Reisen schickt und das in einem fränkischen Salzsee und nicht am Toten Meer.
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